Kein Rechtsmissbrauch bei umfangreichem DSGVO-Auskunftsverlangen – OLG Nürnberg stärkt Betroffenenrechte
Einmal mehr zeigt sich: Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gewährt Betroffenen ein starkes Auskunftsrecht – auch gegenüber ehemaligen Arbeitgebern.
Das Oberlandesgericht Nürnberg hat mit Urteil vom 29.11.2023 (Az. 4 U 347/21) entschieden, dass ein umfangreiches Auskunftsersuchen gemäß Art. 15 DSGVO nicht automatisch als rechtsmissbräuchlich eingestuft werden darf – selbst dann nicht, wenn es für den Verantwortlichen mit erheblichem Aufwand verbunden ist.
Der Fall:
Ein früheres Vorstandsmitglied verlangte vom ehemaligen Arbeitgeber eine umfassende Auskunft über sämtliche gespeicherten personenbezogenen Daten – weit über das Stammdatensystem hinaus, unter anderem auch Protokolle von Vorstandssitzungen und E-Mail-Kommunikation.
Der Arbeitgeber sah hierin ein exzessives, möglicherweise rechtsmissbräuchliches Vorgehen und verweigerte die weitergehende Auskunft.
Die Entscheidung des OLG Nürnberg:
Das Gericht stellte klar:
- Ein hoher Bearbeitungsaufwand auf Seiten des Unternehmens ist irrelevant. Der Aufwand des Verantwortlichen spielt laut Art. 15 DSGVO keine Rolle bei der Bewertung der Zulässigkeit.
- Auch datenschutzfremde Motive schließen einen Anspruch nicht aus. Ob ein Betroffener mit dem Auskunftsverlangen etwa Informationen für ein paralleles Gerichtsverfahren sammeln will, ist unbeachtlich.
- Ein einziges Auskunftsersuchen ist grundsätzlich nicht „exzessiv“. Selbst bei großem Umfang liegt kein Rechtsmissbrauch vor, solange keine Wiederholungsabsicht oder Behinderungsstrategie erkennbar ist.
Zitat aus dem Urteil:
„Kein Missbrauch liegt vor, wenn ein Betroffener das Auskunftsrecht (auch) für datenschutzfremde Zwecke verwendet […]. Der Aufwand des Verantwortlichen spielt bei der Prüfung nach Art. 15 DSGVO keine Rolle.“
Bedeutung für die Praxis:
Das Urteil ist deutlich:
Unternehmen müssen auch umfangreiche Auskunftsersuchen erfüllen, sofern diese im Rahmen des Art. 15 DSGVO gestellt werden. Ein Rückgriff auf den „Exzessivitätsvorwurf“ ist nur unter engen Voraussetzungen möglich.
Für Arbeitgeber bedeutet das:
- Die Grenzen des Auskunftsrechts liegen nicht im Aufwand – sondern im Gesetz.
- Interne Dokumente, Protokolle, E-Mails etc. können unter bestimmten Umständen auskunftspflichtig sein.
- Eine sorgfältige Dokumentation und datenrechtliche Struktur ist entscheidend.
Unsere Einschätzung:
Die Entscheidung stärkt die Rechte von Betroffenen – auch in arbeitsrechtlichen Kontexten – und zeigt zugleich die Notwendigkeit für Verantwortliche, auf strukturierte Auskunftsprozesse vorbereitet zu sein.
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